Angriff von Rechts - 1860 Mnchen und das Nazi-Problem 11FREUNDE
Im Block 132 stehen die Nazis. Manchmal sind es nur zehn, häufig aber auch um die 50 Personen. In der Nordkurve der Allianz-Arena, Heimat der Fans von 1860 München, haben sie sich seit langem eingerichtet. Im Nachbarblock der Ultras versammeln sie sich, ohne ein Hehl aus ihrer Einstellung zu machen, aber auch ohne strafrechtlich in Erscheinung zu treten. Viele tragen rechtsextreme Erkennungszeichen, wie Kleidung der Modemarke „Thor Steinar“. Und auch einen Fanklub haben sie mittlerweile gegründet. Sie nennen sich „Outsiders“.
Doch die Rechten stehen nicht soweit abseits, wie der Name suggeriert. Im Verein haben sich in der Vergangenheit viele mit ihnen arrangiert, indem sie sie einfach ignoriert haben. Die Vereinsverantwortlichen, die argumentieren, ihnen seien die Hände gebunden, so lange nicht gegen die Stadionordnung verstoßen wird. Die umstehenden Fans, für die nur zählt, dass jemand ein „Löwe“ und nicht etwa ein „Roter“ ist. Und die Ultras, die sich „unpolitisch“ nennen und sich öffentlich nicht positionieren. Eine Ausnahme sind die „Löwenfans gegen Rechts“, eine Initiative, die seit 17 Jahren gegen die Ignoranz ankämpft.
Bei Nazi-Aufmärschen werden stolz Fan-Utensilien gezeigt
Ihr Sprecher Herbert Schröger sagt im Gespräch mit 11FREUNDE: „In jüngster Zeit hat das Problem an Dramatik zugenommen, allein schon wegen ihrer schieren Anzahl.“ Auch stehen nicht etwa nur ein paar verirrte Jugendliche und Mitläufer in der Kurve, sondern führende rechtsextreme Kader. Regelmäßig kommt es vor, dass „Größen“ der lokalen Naziszene bei Aufmärschen und öffentlichen Auftritten stolz ihre Fanutensilien präsentieren.
Im Dezember erörterte Schrögers Initiative dem Aufsichtsrat der Sechziger das Problem und stieß erstmals auf offene Ohren. Geschäftsführer Robert Schäfer versprach im Anschluss endlich etwas „zu unternehmen“. Ein Maßnahmenkatalog wurde entworfen, künftig wolle man sich eindeutig positionieren. Unterstützung erhielten die Bemühungen auch durch die öffentliche Diskussion nach der Veröffentlichung eines Artikels auf Spiegel Online.
Als die Ultras protestierten, kamen die Nazis
Dass es höchste Zeit wird, den Nazis etwas entgegen zu setzen, beweisen Vorfälle aus der jüngsten Vergangenheit. Als im April die Ultra-Gruppe „Cosa Nostra“ bei einem Heimspiel gegen Energie Cottbus aufgrund der bevorstehenden Übernahme des Vereins durch einen jordanischen Investor einen Stimmungsboykott startete, waren die Rechten sofort zur Stelle. Sie stimmten die Fangesänge an und versuchten die Kurve hinter sich zu bringen. Anscheinend berauscht von der Vorstellung, nun die neuen Hausherren zu sein, folgte im selben Spiel noch ein Angriff auf die Ultras, als Mitglieder der Jugendgruppe „Giasinga Buam“ ein vereinskritisches Transparent entrollten. Zahlreiche Gegenstände flogen auf die Ultras, es kam zu einem Handgemenge, das erst durch den Einsatz von Ordnern und Polizei beendet werden konnte. In „Kurvenpate“, dem Fanzine der „Cosa Nostra“ heißt es dazu später lapidar: „Es gab ein kurzes Scharmützel zwischen uns und den Nationalen Sozialisten im Block 132.“
„Sobald die Ultras nicht da sind, versuchen die Nazis, die Stimmungshoheit im Stadion zu erlangen“, sagt Andrea Sailer vom Fanprojekt München. Ein erneuter Beweis für diese Aussage lieferte das Testspiel von 1860 bei Red Bull Salzburg Ende Januar. Die aktiven Ultra-Gruppen boykottierten das Spiel aufgrund des Gegners, der den eigenen Vorstellungen traditioneller Fußball-Werte zuwider läuft und machten damit Platz für die Kameraden aus Block 132. Diese fuhren mit circa 50 Mann nach Salzburg und positionierten sich zentral im unteren Teil des Gästeblocks. Während Andrea Sailer vom Fanprojekt erwähnt, dass die Nazis nicht nur aus taktischen Gesichtspunkten zu den Spielen gehen, sondern auch weil sie „Fans von 1860“ sind, ist sich Herbert Schröger sicher. Es handelt sich um eine „bewusste Strategie“ der Rechtsextremen, die „gezielt jedes Vakuum nutzen.“
Noch fehlt eine klare Positionierung der Ultras
Die Gefahr eines unbegrenzten Freiraums für die Nazis bestand vor dieser Saison. Die bis dahin tonangebende Gruppierung „Cosa Nostra“ hatte sich aufgrund der Investoren-Übernahme zurückgezogen und lange war nicht klar, ob die „Giasinga Buam“ ihre Rolle übernehmen oder es ihnen womöglich gleich tun würden. „Ein Rückzug der Ultras wäre bitter gewesen“, ist sich Schröger sicher. Doch die sich nach außen hin unpolitisch artikulierenden Ultras waren sich ihrer Verantwortung bewusst, wie eine Stellungnahme auf ihrer Homepage beweist: „Wir haben uns entschlossen, die Kurve nicht Personen zu überlassen, deren Gesinnung und Ziele wir in keiner Weise tolerieren.“
Zu einer Positionierung, die das Problem beim Namen nennt, haben sich die Ultras jedoch nicht durchgerungen. Und das darf angesichts der Problemlage durchaus kritisiert werden. Allein dadurch, weiterhin selbst die Stimmung zu machen, sagt man den Nazis noch nicht den Kampf an. Die Vermutung liegt nahe, dass die Ultras sich mit ihrer Vorgabe unpolitisch zu sein, selbst im Wege stehen. Andererseits darf nicht vergessen werden, dass sich Ultras, die sich gegen bestehende rechte Strukturen zur Wehr setzen, Gefahr laufen, zur Zielschreibe der Nazis zu werden. Beispiele gewalttätiger Übergriffe von rechten Hooligans auf Ultras sind unter anderem aus Bremen, Braunschweig und Aachen bekannt.
Zu viel Verantwortung für „diese jungen Menschen“?
Andrea Sailer nimmt die überwiegend sehr jungen Ultras gegen Kritik in Schutz: „Ich weiß nicht, ob man diesen jungen Menschen nicht zu viel Verantwortung zuschreibt. Entscheidend ist das Handeln des Vereins.“ Und bei dem „hat sich in den vergangenen Wochen viel getan“. Und wenn Geschäftsführer Schäfer im Interview mit der Abendzeitung fordert, „alle Löwen müssen aufstehen und sich wehren“, sollte er auch an die Rolle der Ultras denken. Ihr Beitrag ist womöglich der Entscheidende.
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