Liebe in Zeiten der Leihe 11FREUNDE

Publish date: 2024-11-26

In Dort­mund haben sie einen beson­deren Platz im Herzen für Links­ver­tei­diger. Das mag daran liegen, dass diese Posi­tion in den ver­gan­genen zwei Dekaden zwei Spieler besetzten, die abso­lute schwarz-gelbe Legenden sind: Dede und Marcel Schmelzer. Mit Raphael Guer­reiro gab es für den lang­jäh­rigen Dort­munder Kapitän Schmelzer zumin­dest fuß­bal­le­risch einen wür­digen Thron­folger. Nach dessen Abgang im Sommer herrschte Vakanz auf der linken Defen­siv­seite. Julian Ryerson und Neu­zu­gang Ramy Ben­se­baini ver­suchten die Lücke zu füllen, so wirk­lich konnte aller­dings keiner von beiden über­zeugen. Seit dem Bun­des­liga-Restart scheint die Suche der Dort­munder end­lich beendet zu sein: Ian Maatsen sei Dank.

Dessen Leih-Transfer vom FC Chelsea nach Dort­mund flog eigent­lich ein wenig unter dem Radar. Ver­ständ­li­cher­weise: Ab Ende Dezember drehte sich in Dort­mund alles nur noch um die mög­liche Rück­kehr von Jadon Sancho. Zwi­schen ersten Fotos des Eng­län­ders aus Dort­mund, Here we go“ und ähn­li­chen Mel­dungen der Trans­fer­ex­perten zum Wech­sel­status Sanchos wurde Ian Maatsens Transfer zum BVB fast schon igno­riert. Zu Unrecht, wie sich nach drei Auf­tritten des Nie­der­län­ders zeigt.

Stark auf beiden Seiten des Felds

Sah man ihn an den letzten Wochen­enden in der Bun­des­liga (wenn auch gegen die aktu­ellen Plätze 14, 16 und 18 der Tabelle), stellt sich die Frage, warum Maatsen bei Chelsea auf nur 199 Pre­mier-League-Minuten kommt. Der 21-Jäh­rige zeigt sich als moderner Außen­ver­tei­diger, wie er im Buche steht: defensiv enga­giert und auf im eigenen Angriffs­spiel als Unru­he­stifter in der geg­ne­ri­schen Abwehr. Damit löst er das Dort­munder Außen­ver­tei­di­ger­di­lemma der letzten Jahre. Raphael Guer­reiro war in Ball­be­sitz eine Berei­che­rung, in der Ver­tei­di­gung war ihm häufig nicht mal ein war stets bemüht“ zu attes­tieren. Ramy Ben­se­baini dagegen ist gegen den Ball stärker als sein Vor­gänger Guer­reiro, neigt aber auch zu groben Aus­set­zern. Offensiv konnte sich der Alge­rier aber bisher kaum ein­bringen, in der lau­fenden Saison sam­melte er bisher erst eine Tor­be­tei­li­gung – im DFB-Pokal­spiel gegen den Regio­nal­li­gisten Schott Mainz.

Maatsen dagegen lie­ferte schon einen Assist und hatte in allen drei bis­he­rigen Spielen im Dort­munder Trikot laut fbref je zwei schuss­er­zeu­gende Aktionen. Fast noch wich­tiger ist aller­dings: Der Nie­der­länder besticht auch mit Qua­lität im Aufbau. Beim Spiel gegen Köln hatte er laut sofas­core die meisten Bal­lak­tionen aller Akteure, gegen den VfL Bochum die zweit­meisten. Die Dort­munder krankten schon lange daran, den Ball aus der Ver­tei­di­gung nach vorne zu ihren hoch­ta­len­tierten Angrei­fern zu bringen. Maatsen hilft sicht­lich dabei. Anders als Ben­se­baini, der in der Regel an der Sei­ten­aus­linie klebt, rutscht der Nie­der­länder immer wieder in die Mitte des Feldes und agiert als zweiter Sechser im Auf­bau­spiel. Das schlägt sich eben­falls auf seine Werte in der Metrik pro­gres­sive passes nieder, also Pässe, die über zehn Meter in Rich­tung des geg­ne­ri­schen Tores zurück­legen. Hier liegt Maatsens in seinen drei Bun­des­li­ga­spielen laut fbref bei 6,67 im Schnitt. Damit über­trifft er den Mit­tel­wert für Außen­ver­tei­diger in allen Top-5-Ligen (4,13). Diese Inter­pre­ta­tion des Links­ver­tei­di­gers als Spiel­ge­stalter ist beim BVB nichts Neues: Nicht umsonst ver­glich Edin Terzić Maatsens Rolle jüngst mit der, die Raphael Guer­reiro lange in Dort­mund spielte.

Die Auf­tritte des Nie­der­län­ders kamen aber auch auf­grund seines Ein­satzes gegen den Ball gut bei der Dort­munder Anhän­ger­schaft an. Sinn­bild­lich steht dafür seine Alles-oder-nichts-Grät­sche gegen Bochums Matus Bero. Als der in den Straf­raum von Kobel-Ver­treter Alex­ander Meyer ein­drang, kam Maatsen von hinten ange­rauscht und spit­zelte dem ein­schuss­be­reiten Stürmer die Kugel vom Fuß. Thema Ruhr­pott­ment­a­lität: So kli­schee­haft es ist, das Dort­munder Publikum ist seit jeher von sol­chen Spie­lern angetan, die sich für die Drecks­ar­beit nicht zu schade sind. Auch unter den aktu­ellen Profis gibt es solche, die sich über die Arbeit auf dem Platz defi­nieren, etwa den aktuell ver­letzten Julian Ryerson.

Never fall in love with a loan player!

Nach Maatsens beein­dru­ckenden ersten Auf­tritte stellt sich nun die Frage nach dem Stamm­spieler auf der linken Abwehr­seite. Ramy Ben­se­baini, dort bisher Platz­hirsch, kam am Wochen­ende vom Afrika-Cup zurück. Der Som­mer­neu­zu­gang hat einen natür­li­chen Anspruch auf einen Platz in der Startelf. Die bis­he­rigen Leis­tungen des Alge­riers waren aber kaum auf dem Niveau, das Maatsen zeigen konnte. Zudem har­mo­niert der Nie­der­länder auf­fal­lend gut mit Jadon Sancho. Ein Star­t­el­fein­satz von Maatsen im nächsten Spiel am Freitag gegen Hei­den­heim ist also durchaus wahr­schein­lich.

So sehr der Neu­zu­gang auch ein­ge­schlagen hat, einen Wer­muts­tropfen gibt es trotzdem: Er ist nur bis zum Ender der Saison von Chelsea aus­ge­liehen. Ein Pro­blem, das die Dort­munder Ver­ant­wort­li­chen gut kennen, Jadon Sanchos Ver­trags­si­tua­tion ist die gleiche. Im Leih­deal mit Chelsea ist keine Kauf­op­tion für Maatsen inte­griert. Aller­dings gibt es ab Sommer die Mög­lich­keit, ihn per Aus­stiegs­klausel aus London los­zu­eisen, diese liegt aber laut Sky-Infor­ma­tionen bei rund 35 Mil­lionen Euro. Ein grund­sätz­li­ches Dort­munder Inter­esse an einer Fest­ver­pflich­tung soll bestehen, die von Chelsea auf­ge­ru­fene Summer aber als zu hoch ein­ge­stuft werden. Gerade des­halb sollten die BVB-Fans wohl ein Sprich­wort beher­zigen, das häufig in den Sozialen Medien her­um­geis­tert: Never fall in love with a loan player!“ – Ver­lieb dich nie­mals in einen Leih­spieler! Spielt Maatsen so weiter, dürfte die Dort­munder Anhän­ger­schaft jedoch schnell Gefahr laufen, genau das zu tun. 

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