Liebe in Zeiten der Leihe 11FREUNDE
In Dortmund haben sie einen besonderen Platz im Herzen für Linksverteidiger. Das mag daran liegen, dass diese Position in den vergangenen zwei Dekaden zwei Spieler besetzten, die absolute schwarz-gelbe Legenden sind: Dede und Marcel Schmelzer. Mit Raphael Guerreiro gab es für den langjährigen Dortmunder Kapitän Schmelzer zumindest fußballerisch einen würdigen Thronfolger. Nach dessen Abgang im Sommer herrschte Vakanz auf der linken Defensivseite. Julian Ryerson und Neuzugang Ramy Bensebaini versuchten die Lücke zu füllen, so wirklich konnte allerdings keiner von beiden überzeugen. Seit dem Bundesliga-Restart scheint die Suche der Dortmunder endlich beendet zu sein: Ian Maatsen sei Dank.
Dessen Leih-Transfer vom FC Chelsea nach Dortmund flog eigentlich ein wenig unter dem Radar. Verständlicherweise: Ab Ende Dezember drehte sich in Dortmund alles nur noch um die mögliche Rückkehr von Jadon Sancho. Zwischen ersten Fotos des Engländers aus Dortmund, „Here we go“ und ähnlichen Meldungen der Transferexperten zum Wechselstatus Sanchos wurde Ian Maatsens Transfer zum BVB fast schon ignoriert. Zu Unrecht, wie sich nach drei Auftritten des Niederländers zeigt.
Stark auf beiden Seiten des Felds
Sah man ihn an den letzten Wochenenden in der Bundesliga (wenn auch gegen die aktuellen Plätze 14, 16 und 18 der Tabelle), stellt sich die Frage, warum Maatsen bei Chelsea auf nur 199 Premier-League-Minuten kommt. Der 21-Jährige zeigt sich als moderner Außenverteidiger, wie er im Buche steht: defensiv engagiert und auf im eigenen Angriffsspiel als Unruhestifter in der gegnerischen Abwehr. Damit löst er das Dortmunder Außenverteidigerdilemma der letzten Jahre. Raphael Guerreiro war in Ballbesitz eine Bereicherung, in der Verteidigung war ihm häufig nicht mal ein „war stets bemüht“ zu attestieren. Ramy Bensebaini dagegen ist gegen den Ball stärker als sein Vorgänger Guerreiro, neigt aber auch zu groben Aussetzern. Offensiv konnte sich der Algerier aber bisher kaum einbringen, in der laufenden Saison sammelte er bisher erst eine Torbeteiligung – im DFB-Pokalspiel gegen den Regionalligisten Schott Mainz.
Maatsen dagegen lieferte schon einen Assist und hatte in allen drei bisherigen Spielen im Dortmunder Trikot laut fbref je zwei schusserzeugende Aktionen. Fast noch wichtiger ist allerdings: Der Niederländer besticht auch mit Qualität im Aufbau. Beim Spiel gegen Köln hatte er laut sofascore die meisten Ballaktionen aller Akteure, gegen den VfL Bochum die zweitmeisten. Die Dortmunder krankten schon lange daran, den Ball aus der Verteidigung nach vorne zu ihren hochtalentierten Angreifern zu bringen. Maatsen hilft sichtlich dabei. Anders als Bensebaini, der in der Regel an der Seitenauslinie klebt, rutscht der Niederländer immer wieder in die Mitte des Feldes und agiert als zweiter Sechser im Aufbauspiel. Das schlägt sich ebenfalls auf seine Werte in der Metrik progressive passes nieder, also Pässe, die über zehn Meter in Richtung des gegnerischen Tores zurücklegen. Hier liegt Maatsens in seinen drei Bundesligaspielen laut fbref bei 6,67 im Schnitt. Damit übertrifft er den Mittelwert für Außenverteidiger in allen Top-5-Ligen (4,13). Diese Interpretation des Linksverteidigers als Spielgestalter ist beim BVB nichts Neues: Nicht umsonst verglich Edin Terzić Maatsens Rolle jüngst mit der, die Raphael Guerreiro lange in Dortmund spielte.
Die Auftritte des Niederländers kamen aber auch aufgrund seines Einsatzes gegen den Ball gut bei der Dortmunder Anhängerschaft an. Sinnbildlich steht dafür seine Alles-oder-nichts-Grätsche gegen Bochums Matus Bero. Als der in den Strafraum von Kobel-Vertreter Alexander Meyer eindrang, kam Maatsen von hinten angerauscht und spitzelte dem einschussbereiten Stürmer die Kugel vom Fuß. Thema Ruhrpottmentalität: So klischeehaft es ist, das Dortmunder Publikum ist seit jeher von solchen Spielern angetan, die sich für die Drecksarbeit nicht zu schade sind. Auch unter den aktuellen Profis gibt es solche, die sich über die Arbeit auf dem Platz definieren, etwa den aktuell verletzten Julian Ryerson.
Never fall in love with a loan player!
Nach Maatsens beeindruckenden ersten Auftritte stellt sich nun die Frage nach dem Stammspieler auf der linken Abwehrseite. Ramy Bensebaini, dort bisher Platzhirsch, kam am Wochenende vom Afrika-Cup zurück. Der Sommerneuzugang hat einen natürlichen Anspruch auf einen Platz in der Startelf. Die bisherigen Leistungen des Algeriers waren aber kaum auf dem Niveau, das Maatsen zeigen konnte. Zudem harmoniert der Niederländer auffallend gut mit Jadon Sancho. Ein Startelfeinsatz von Maatsen im nächsten Spiel am Freitag gegen Heidenheim ist also durchaus wahrscheinlich.
So sehr der Neuzugang auch eingeschlagen hat, einen Wermutstropfen gibt es trotzdem: Er ist nur bis zum Ender der Saison von Chelsea ausgeliehen. Ein Problem, das die Dortmunder Verantwortlichen gut kennen, Jadon Sanchos Vertragssituation ist die gleiche. Im Leihdeal mit Chelsea ist keine Kaufoption für Maatsen integriert. Allerdings gibt es ab Sommer die Möglichkeit, ihn per Ausstiegsklausel aus London loszueisen, diese liegt aber laut Sky-Informationen bei rund 35 Millionen Euro. Ein grundsätzliches Dortmunder Interesse an einer Festverpflichtung soll bestehen, die von Chelsea aufgerufene Summer aber als zu hoch eingestuft werden. Gerade deshalb sollten die BVB-Fans wohl ein Sprichwort beherzigen, das häufig in den Sozialen Medien herumgeistert: „Never fall in love with a loan player!“ – Verlieb dich niemals in einen Leihspieler! Spielt Maatsen so weiter, dürfte die Dortmunder Anhängerschaft jedoch schnell Gefahr laufen, genau das zu tun.
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